Das Lipödem ist eine chronische Fettverteilungsstörung des Unterhautfettgewebes und tritt fast ausschließlich nur bei Frauen auf. Meist nach einer hormonellen Umstellung können Beine und Arme von den Fettanlagerungen betroffen sein.
Das oft schmerzhafte Lipödem betrifft fast 3 Millionen Menschen – vorwiegend Frauen. Etwa jede zehnte Frau hat ein Lipödem. Woran liegt das? Wie lässt sich die fortschreitende Erkrankung feststellen, was sind die Ursachen und wie kann man es behandeln? Hier erfahren Interessierte und Betroffene, was das Lipödem wirklich ausmacht.
Das Problem zeichnet sich in erster Linie durch einen gestörten Stoffwechsel in puncto Fettgewebe aus. Hierbei bildet der Körper übermäßig viel Fettmasse in den Extremitäten (Beine und Arme), seltener am Bauch aus. Die Erkrankung wurde erstmals im Jahr 1940 in einer Publikation von den Medizinern Edgar Van Nuys Allen und Edgar Alphonso Hines benannt. Deswegen ist es auch unter dem Namen Allen-Hines-Syndrom bekannt.
Im ICD-10-Katalog der WHO (2019) ist das Lipödem als R60.0 gelistet (d. h. nicht näher bezeichnetes Ödem). Die neuere Fassung aus dem Jahr 2021 bezieht den Begriff "Lipödem" stärker in den Diagnosekatalog ein und führt sie unter dem Kürzel E88.20 bis E88.28. Dabei richtet sich die Bezeichnung vorrangig nach dem Schweregrad des Lipödems.
Umgangssprachlich wird es auch "Reithosenfettsucht“, "Reiterhosensyndrom“ oder "Säulenbein" genannt. Ein typisches Merkmal ist die symmetrische bzw. seitengleiche Fettvermehrung an den betroffenen Körperstellen. Dabei kommt es zu einer optischen Dysbalance da Oberkörper, Hände und Füße nicht von den Fettanlagerungen betroffen sind und schlank bleiben.
Bei dem Lipödem kommt es zu einer Fettgewebevermehrung (vor allem dem Unterhautfettgewebe). Das bedeutet, dass die Fettzellen größer werden und sich vermehren. Dabei verändert sich auch das Bindegewebe. Außerdem werden die körpereigen Blutkapillaren (Blutgefäße) durchlässiger. Das hat zur Folge, dass mehr Flüssigkeit an die betroffenen Stellen gelangt. Aus diesem Grund schwellen die Arme, Beine und Hüften durch die angestaute Flüssigkeit an. Dazu sind die Gefäße brüchiger, so dass häufiger Blutergüsse entstehen können.
Das typische Erscheinungsbild des Lipödems ist eine seitengleiche Vermehrung des Fettgewebes an den Beinen, seltener auch Armen. Trotz eines schlanken Körperbaus vermehrt sich bei der Erkrankung das Fettgewebe in den Gliedmaßen. An den Beinen ist das Fettgewebe überwiegend im oberen Teil des Oberschenkel ansässig. Allerdings gibt es auch Betroffene bei denen das Fettgewebe an den Unterschenkel ansetzt.
Daneben geht diese Fettgewebemehrungen mit weiteren Symptomen einher. Dazu zählen üblicherweise Spannungsschmerzen bzw. Druckschmerzen entlang der betroffenen Körperstellen. Außerdem besteht eine stärkere Neigung zu Blutergüssen (Hämatomen). Das Gefühl "dicker und schwerer Beine" ist bei einem Lipödem häufig kennzeichnend.
Das eigene Körpergewicht hat mit der Entstehung der Krankheit übrigens nichts zu tun. Es spielt keine Rolle für die Entwicklung des Lipödems, ob jemand übergewichtig ist oder nicht. Allerdings sind eher übergewichtige Frauen von dieser Krankheit betroffen.
Dadurch ist eine Verwechslung mit ähnlichen Krankheitsbildern relativ häufig. Beispielsweise ähnelt das Beschwerdebild dem einer Adipositas (Fettleibigkeit) oder den Lymphödemen. Grundsätzlich kann die Krankheit bei jeder Person auftreten – meistens trifft sie jedoch Frauen.
Daneben lässt sich die Erkrankung in unterschiedlichen Schweregraden erfassen. Die verschiedenen Stadien oder Phasen werden im ICD-10-GM berücksichtigt. Denn das Lipödem schreitet ohne Behandlung oder Therapie weiter voran. Nicht nur die Schwere der Symptome bietet eine Möglichkeit zur Einordnung.
Auch die Lage des Lipödems kann zur Einschätzung herangezogen werden. Prinzipiell sind aber meistens 3 Stadien (hier: bezogen auf die Veränderungen des Hautbildes) relevant:
In Stadium 1 ist die Hautoberfläche noch glatt und lediglich das Untergewebe verdickt. Dabei sind kleine Dellen und Knoten in der Fettstruktur zu sehen. Eine leichte Orangenhaut wird hier zu erkennen sein. Das Lipödem ist hier noch nicht besonders auffällig.
In Stadium 2 kann man in der Fettstruktur schon größere Dellen und Knoten erkennen und die Haut ist deutlich unebener. Die Haut wird hier durch eine Wellenform gekennzeichnet.
In Stadium 3 werden die betroffen Stellen deutlich härter. Dazu kommen Verformungen und eine „Wammenbildung“ der Haut. Die Oberfläche ist nun grobkörnig und deformiert.
Bildquelle: srf.ch
Woher weiß ich ob ich ein Lipödem habe?
Wenn man nicht genau weiß, ob man ein Lipödem hat oder nicht, dann sollte man diese Punkte durchgehen und an sich selber prüfen. Denn wenn alle Punkte zutreffen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass man ein Lipödem hat:
Symmetrische bzw. seitengleiche, spontane Fettgewebezunahme
Schmerzen und Druckempfindlichkeit an bestimmten Stellen
Spannungs- und Druckgefühle
Schnell und leicht entstehende Blutergüsse
Grobe Knoten unter der Haut
Kann man ein Lipödem ohne Schmerzen haben?
Personen die „nur“ übergewichtig sind verspüren in den allermeisten Fällen keine erhöhte Druckempfindlichkeit und leben größtenteils beschwerdefrei. Von Lipödem betroffene Personen hingegen bekommen schneller Blutergüsse und sind deutlich Druckempfindlicher.
Die Ursachen, warum und wie sich die Erkrankung entwickeln kann, sind bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Das verstärkte Vorkommen bei Frauen legt die Vermutung nahe, dass es hormonelle Veränderungen als Ursache gibt. Aber auch genetische Veranlagungen spielen offenbar bei der Entstehung eine größere Rolle.
Ein Lipödem kann grundsätzlich in jeder Lebenssituation und jedem Lebensalter auftreten. Die meisten Betroffenen bekommen es im Alter zwischen 20 und 40 Jahren.
Meist sind mehrere Personen in einer Familie hiervon betroffen. Jedoch ist klar, dass die Entstehung des Lipödem nicht mit der Ernährung oder sportlichen Aktivität zusammenhängt. Da auch schlanke und „normalgewichtige“ Frauen hiervon betroffen sein können.
Durch das vermehrte Fettgewebe und die durchlässigeren Blutgefäße sammelt sich viel Flüssigkeit an den betroffenen Stellen und staut sich dort an. So entsteht ein Spannungsgefühl und die betroffenen Zonen sind deutlich druckempfindlicher.
Männer bekommen sehr selten ein Lipödem. Es tritt bei ihnen nur in Verbindung mit hormonellen Störungen oder nach einer hormonellen Therapie auf.
Welche Ursache auch immer durch medizinisches Fachpersonal benannt wird, alle haben eines gemeinsam: Bei einem Lipödem vergrößern sich die Fettzellen im unteren Hautfettgewebe. Dadurch neigt der Körper dazu, verstärkt Flüssigkeit einzulagern. Diese Wassereinlagerung wird als Ödem bezeichnet.
Das Lipödem verursacht im weiteren Verlauf also einen vergrößerten Körperumfang. Dabei beschränkt es sich hier bei den meisten Betroffenen auf die Beine. Viele leiden allerdings ebenso unter Wasser- und Fettansammlungen an Armen, Gesäß oder Bauch.
Mögliche Ursache 1: hormonelle Umstellungen
Hormone haben einen immensen Einfluss auf den menschlichen Organismus und Stoffwechsel. Da vorrangig Frauen unter einem Lipödem leiden, stehen hormonelle Veränderungen im Fokus der Ursachenforschung. Hierbei sind speziell die Zeiten des Klimakteriums (Wechseljahre), der Pubertät und Schwangerschaft zu nennen. In der medizinischen Forschung liegt das Augenmerk deswegen vorrangig auf das weibliche Sexualhormon Östrogen.
Dieses Hormon trägt einen signifikanten Anteil an der Entstehung der Krankheit bei. Andere Ungleichgewichte können ein Lipödem gleichfalls fördern. Das zeigt sich an den männlichen Patienten mit der Erkrankung. Bei Männern, die hiervon betroffen sind, liegt im Grunde in jedem Fall eine Hormonstörung vor. Dabei kann es sich um folgende Problematiken handeln:
Testosteronmangel
Leberzirrhose
Hormontherapie (z. B. aufgrund von Prostatakrebs)
Mögliche Ursache 2: genetische Veranlagungen
Das Lipödem kann nicht ausschließlich bei Personen mit einer Hormonstörung bzw. einer hormonellen Veränderung auftreten. Es wurde zusätzlich festgestellt, dass häufig mehrere Familienmitglieder daran erkranken. Dieser Umstand erlaubt Rückschlüsse auf eine genetische Veranlagung als möglicher Risikofaktor. Medizinische Wissenschaftler/-innen vermuten, dass gefäßaufbauende Gene bei der Bildung von Lipödemen relevant sind.
Mögliche Ursache 3: geschädigte Gefäße
Das Lipödem stellt nicht nur eine Störung im Fettgewebe dar, sondern kann ebenso durch Entzündungen innerhalb der Blutgefäße entstehen. Mediziner vermuten, dass sich die Gefäße im betroffenen Unterhautgewebe entzünden und dadurch nicht korrekt arbeiten. Die entzündlichen Prozesse können infolgedessen dafür sorgen, dass zusätzliche Flüssigkeit ins Zellgewebe gelangt.
Die Folge davon: Das Gewebe schwillt an. Ein Ödem kann dann blaue Flecken bzw. Blutergüsse nach sich ziehen. Durch diese Schwellungen lassen sich dementsprechend die Schmerzen entlang der betroffenen Körperstellen erklären.
Geschwollene Arme und/oder Beine:
Die betroffenen Körperteile fühlen sich bei den Betroffenen schwer und geschwollen an. Durch das vermehrte Fettgewebe und der sich angestauten Flüssigkeit kommt es zu einer optisch starken Ungleichheit, da nun die Beine und bei manchen auch Arme viel dicker als der restliche Körper aussehen. Dieser Grund trägt verstärkt zu einer Verschlechterung der Lebensqualität bei, da man wegen der großen Schwellungen, da man so die Blicke anderer Leute auf sich zieht.
Erhöhte Empfindlichkeit der Haut:
Berührungen die vorher kaum wahrgenommen wurden lösen nun starke schmerzen aus. Patienten berichten davon, dass sie starke schmerzen spüren, wenn eine Katze über ihren Schoß läuft oder wenn sie ein Kind auf den Schoß nehmen. Des weiteren kann es zu spontanen Schmerzen kommen, die mitten am Tag oder in der Nacht auftreten.
Blutergüsse:
Da die im Unterhautfettgewebe sitzenden Blutkapillaren leicht reißen, können bereits durch die kleinsten Stöße „blaue Flecken“ entstehen.
Veränderung des Gangbildes:
Es kann auf längere Zeit zu Fehlstellungen der Gelenke kommen, weil die Fettpolster des Lipödems die Betroffenen beim gehen behindern und so zu einem veränderten Gangbild führen. Durch diese Fehlstellung kann es zu einem vorzeitigen Gelenkverschleiß (Arthrose) kommen.
Lymphödem:
Bei einem fortgeschrittenen Lipödem kann es zu einem Lymphodem kommen. Das resultiert aus der angestauten Flüssigkeit, die nicht mehr richtig aus den betroffenen Körperteilen abfließen kann. Wenn dieser Zustand nicht therapiert wird entsteht ein Lymphodem, das die Bereiche noch weiter anschwellen lässt.
Was sind weitere mögliche Symptome des Lipödems?:
Hautirritationen
Wammenbildung
Spannungsschmerzen
Die Beschwerden können sich gerade bei warmen Wetter oder nach langem stehen oder sitzen verschlimmern. Durch die schlechte Durchblutung der Haut, ist diese auch oft kühler als der restliche Körper.
Grundsätzlich kann der Verlauf eines Lipödems durch eine passende Therapie positiv behandelt werden. Dabei versucht man die Symptome abzuschwächen und eine weitere Fettgewebezunahme zu vermeiden.
Dabei werden 3 große Ziele verfolgt:
Eine Besserung bzw. Beseitigung der Beschwerden
Vermeidung von Komplikationen der Haut, Lymphe und Gelenke
Reduzierung des (psychischen) Leidens
Dabei unterscheidet man zwischen konservativen und operativen Therapiemöglichkeiten. Zu den konservativen Möglichkeiten gehört die Kompressionstherapie. Hierbei werden Kompressionsstrümpfe getragen, die dafür sorgen sollen, dass sich das Lipödem nicht weiter vermehren kann.
Eine weitere konservative Therapiemöglichkeit ist die manuelle Lymphdrainage. Hier werden die Patienten an den betroffenen Körperteilen mit einer speziellen Massagetechnik massiert um den Abtransport der angestauten Flüssigkeit anzuregen.
Bei weiter fortgeschrittenen Fällen kann auch eine Liposuktion (Fettabsaugung) in Betracht gezogen werden. Jährlich werden mehrere tausend Liposuktionen durchgeführt, so dass dieser operative Eingriff bereits als Standarteingriff gilt.
Wird mit einer Therapie bereits im frühen Stadium begonnen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die oben genannten Ziele auch erreicht werden. Passend dazu sollte auch mehr Bewegung in den Alltag hinzugefügt werden, denn dies kann den positiven Effekt einer Therapie fördern.
Lange Spaziergänge, entspannte Radtouren und der Gang ins Schwimmbad helfen bei einer Behandlung. Besonders gut bieten sich Sport- und Bewegungsarten im Wasser an, da diese die Gelenke entlasten. Dabei sollten übergewichtige Patienten versuchen weiter abzunehmen und „normalgewichtige“ Patienten sollten möglichst nicht zunehmen um das Lipödem nicht weiter auszuprägen.
Bei einer erfolgreich durchgeführten Therapie können die Betroffenen in Zukunft beschwerdefrei Leben. Betroffene sollten Verletzungen der Haut vermeiden und diese Pflegen. Wenn es möglich ist, sollte man versuchen das Körpergewicht zu reduzieren, da dies eine mögliche Arthrose fördert.
Fazit: Lipödem
Vor allem sind Frauen betroffen. Die vergrößerten und sich fortschreitend vermehrenden Fettzellen im unteren Hautfettgewebe bilden das charakteristische Beschwerdebild: schmerzhafte Ödeme, die vorrangig in den Extremitäten zu beobachten sind.
Eine Verwechslung mit ähnlichen Gesundheitsproblemen (unter anderem Lymphödeme und Fettleibigkeit) passiert vergleichsweise oft, sodass eine genaue Diagnostik immer sehr wichtig ist. Eine Therapie, gesunde Ernährungsweise und viel Bewegung können den Körper zusätzlich unterstützen, um weitere Krankheiten zu vermeiden.
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